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Nahum Goldmann

 

Erez-Israel - Reisebriefe aus Palästina 1914

Rückblick nach siebzig Jahren von Nahum Goldmann

Paris, im Februar 1982

 

 Zwischen dem 1913 verfaßten ersten Teil dieses Buches und dem 1982 geschriebenen Nachtrag liegt das Leben seines Autors: sieben Jahrzehnte dynamischer Tätigkeit, größtenteils der Verwirklichung der zionistischen Idee gewidmet, die sich also um das Land Erez-Israel gedreht haben.

 Buchhändlerisch waren die "Reisebriefe aus Palästina" ein Erfolg und wurden in zwei Auflagen gedruckt, bis der erste Weltkrieg dem Verkauf ein Ende machte. Der Autor vergaß sie praktisch, bis er 1940 nach Amerika kam und ihm ein anderer jüdischer Einwanderer aus Deutschland das Buch, was den Preis betrifft, als bibliographische Rarität anbot. Als der Autor es damals, 27 Jahre nach der Entstehung, wieder las, war er eher enttäuscht als befriedigt. Er war inzwischen einer der aktivsten zionistischen Vertreter geworden, sowohl innen- wie außenpolitisch, und von der rührenden Naivität des Achtzehnjährigen, der das Buch geschrieben hatte, war nicht viel übriggeblieben. Er hatte die Tücken der Politik kennengelernt, die Brutalität der nationalsozialistischen Verfolgung erlebt, von dem Widerstand der Araber gegen die Gründung eines jüdischen Heimlands Kenntnis genommen, und war im Grunde etwas ungehalten über die beinahe kindliche Begeisterung, die aus den meisten "Reisebriefen" spricht.

 Er legte das Buch zur Seite, und es vergingen vierzig Jahre, bis Dr. Günther Schwarz es ihm wieder zu Bewußtsein brachte, mit dem Vorschlag, den ursprünglichen Text neu zu veröffentlichen mit einem zusätzlichen Teil, in dem der Autor das Israel von heute mit dem Palästina von damals vergleichen sollte.

 Daraufhin las er die "Reisebriefe" nochmals gründlich, und diesmal war seine Einstellung viel positiver. Nicht nur war er gerührt über den jünglingshaften Charakter des Autors im Jahre 1913, sondern er sah in ihm ein Beispiel für die seelische und geistige Atmosphäre, in der die erste Generation der Einwanderer das neue Palästina geschaffen hatte; die Begeisterung des Achtzehnjährigen war von derselben Art, die die "Biluim" nach Erez-Israel geführt hatte. Im hohen Alter und mit der Erfahrung eines langen Lebens, gewohnt, Dinge von einer historischen Warte aus zu betrachten, wurde sich der Autor dessen bewußt, daß fast alle großen Errungenschaften in der Geschichte von Menschen geleistet wurden, die naiv begeistert, im Glauben an ihr Ideal und glücklicherweise in Unkenntnis der Schwierigkeiten und Hemmnisse lebten und wirkten. Er begann den Jüngling den er als Vierzigjähriger als ein wenig kindisch und, realpolitisch gesehen maßlos übertrieben eher abgelehnt hatte, zu schätzen und zu lieben. Er sah ein, daß er ohne den Enthusiasmus des Achtzehnjährigen niemals zu dem gelangt wäre, was er in seinem Leben erreicht hatte, und deshalb fand er den Gedanken verlockend, den Vergleich des damaligen Palästina, von einem jungen Idealisten gesehen und auf Hoffnung und Glauben beruhend, mit dem heutigen Israel nach mehreren Kriegen und Krisen zu unternehmen. Dieser Vergleich ist auch in seinen historischen Konsequenzen von Bedeutung. Ohne den ursprünglichen Enthusiasmus wäre das Israel von heute nicht entstanden, und obwohl die meisten Ideale noch weit von der Verwirklichung sind, wird es dem Autor immer klarer, daß die Zukunft des jüdischen Staates kaum gesichert werden kann ohne eine zumindest teilweise Rückkehr zu der Begeisterung und dem Glauben der ersten Periode.

 Die Verwirklichung jeder großen Idee in der Geschichte beruht auf der Synthese von den ursprünglichen Idealen und der Überwindung der Hemmnisse und Schwierigkeiten der Realität. Die große Frage des Israel von heute - in dem die negativen Aspekte vorwiegen - ist es und wird es für die nächste Zukunft bleiben, in welchem Maße es ihm gelingen wird, wieder etwas von der Atmosphäre zu schaffen, in der die ersten Siedler den großartigen Gedanken des Zionismus in ihrem Leben zu verwirklichen suchten. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, hat der Vergleich zwischen dem Palästina von 1913 und dem Israel von 1982 einen tieferen Sinn und ist nicht nur für den Autor interessant, sondern er enthält allgemeine Wahrheiten und Erkenntnisse, die gerade zu der Zeit, in der sich Israel in einer schweren politischen, militärischen und moralischen Krise befindet, von Bedeutung sind.

 Bevor ich den Vergleich vornehme, will ich kurz die Entstehung des ersten Teils dieses Buches, der "Reisebriefe aus Erez-Israel", erklären. Nachdem ich bereits mit 17 Jahren das Gymnasium beendet hatte, wurde ich nur mit Schwierigkeiten an der Heidelberger Universität aufgenommen, da achtzehn Jahre das Mindestalter war, doch gelang es, und ich befand mich 1913 im zweiten Semester in Heidelberg. Obwohl ich seit langem zionistisch tätig war, konnte ich an eine Palästina-Reise nicht denken, schon weil meine Familie es sich finanziell nicht hätte erlauben können. Da erhielt ich unerwartet einen Anruf eines meiner Freunde, Dr. Theodor Zlocisti, eines zionistischen Arztes aus Berlin, der die kühne Idee hatte, eine Gruppe von 30 bis 40 deutschen zionistischen Studenten zu einer gemeinsamen vierwöchigen Fahrt nach Palästina zusammenzubringen. Er forderte mich auf, mich dieser Reise anzuschließen, vor allem weil ich Hebräisch verstand und sprach, als einziger unter den meist aus assimilierten wohlhabenden jüdischen Häusern stammenden Teilnehmern.

 Es fand sich ein Freund unserer Familie, der, als er von dem Plan erfuhr, sich bereit erklärte, mir die Reise zu finanzieren, unter der Bedingung, daß ich während meines Aufenthaltes im Lande Berichte an das "Frankfurter Israelitische Familienblatt" sendete, das mein Vater leitete und in dem ich schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr an zu schreiben pflegte. Ich nahm diese Aufforderung gerne an, und so wurden die "Reisebriefe" in der Begeisterung und der Erschütterung des jeweiligen Erlebnisses geschrieben. Ihre Veröffentlichung hatte großen Erfolg. Ohne mich zu fragen, da ich noch minderjährig war, nahm mein Vater ein Angebot des Kauffmann-Verlages an, die Reisebriefe in Buchform herauszugeben; hätte ich davon gewußt, hätte ich sie bestimmt noch einmal überarbeitet und korrigiert, doch wurde mir die Gelegenheit dazu nicht gegeben.

 Da ich in meiner Autobiographie - jetzt im "Langen-Müller-Herbig" Verlag erschienen - manches über meinen viermonatigen Aufenthalt geschrieben habe, ist es überflüssig, hier näher darauf einzugehen. Ich blieb eine Weile mit meinen Kameraden, betrachtete mich jedoch nicht als zu der Gruppe gehörig und wurde bald als undiszipliniert und verwöhnt verschrien, da ich zum Beispiel, während die anderen stets die täglichen Strecken zu Fuß hinter sich brachten, im Sinne der zionistischen Blau-Weiß-Bewegung, mir einen Esel mietete, um auf ihm zu reiten. Nach den Anstrengungen der Wanderungen und ohne die Sprache zu verstehen, schliefen meine Kameraden abends bei den Empfängen in den Kolonien, die wir besuchten, meist ein; ich jedoch mußte hebräische Ansprachen anhören und darauf in meinem nicht sehr guten Hebräisch antworten. So wurde ich der Sache überdrüssig und verließ die Gruppe nach wenigen Wochen. Ich beschloß jedoch, meinen Aufenthalt in Palästina zu verlängern, und der Familienfreund war bereit, mir geldlich dazu zu verhelfen, immer unter der Voraussetzung der Reisebriefe.

 Ich war von wenigen Perioden meines Lebens so ergriffen, erschüttert und im tiefsten beeinflußt wie von diesen vier Monaten, nicht nur wegen des Erlebnisses der zionistischen Verwirklichung, wegen vieler hochinteressanter Menschen, die ich kennenlernte, sondern vor allem wegen meines Erlebnisses des Zionismus in seiner konkreten, realisierbaren Form. Ich lernte vor allem, die Vorschläge und Projekte, mit denen ich zu tun hatte, nicht nur auf ihren ideologischen Gehalt hin zu prüfen, sondern an der Realität zu messen, wie man es nur durch persönliche Erfahrung beurteilen kann. Viele der entscheidenden Aspekte meiner zionistischen Einstellung - die Begeisterung für den Kibbuz, die Auffassung des Zionismus als einer nicht nur jüdischen, sondern gleichzeitig menschheitlichen Idee, die Notwendigkeit, sich mit den Arabern zu verständigen, die Abneigung gegen jede aggressive Machtpolitik -, die mich in den folgenden siebzig Jahren immer wieder bestimmt haben, waren in ihren Grundlagen in diesen vier Monaten in Palästina gelegt worden.

 Man stelle sich vor, der Autor der "Reisebriefe" wäre siebzig Jahre lang in einen Dauerschlaf verfallen und in dem heutigen Israel aufgewacht. Da er die hebräische Sprache hören und Städte wie Jaffa und Tel Aviv wiedersehen würde, würde er erkennen, daß er sich in einem jüdischen Staat befindet, und würde das Israel von heute nicht unnatürlich empfinden, da es mehr oder weniger ein Staat wie alle anderen in der Welt ist. Er müßte sich jedoch bald fragen, was seine damaligen Erlebnisse, die er 1913 mit überschwenglichem Enthusiasmus beschrieben hatte, mit der heutigen Gegenwart zu tun haben, was in siebzig Jahren aus einer der idealistischsten Bewegungen des 20. Jahrhunderts, einer der großartigsten Erscheinungen der jüdischen, und allgemein gesehen der menschlichen Geschichte, in der brutalen Realität des Alltags geworden ist.

  Ich war seitdem einige hundert Male in Palästina - heute Israel. Was ich in dem jetzigen Vergleich zum Ausdruck bringen will, ist die Tatsache, daß der jüdische Staat von 1982 eine durch die Entwicklung der letzten siebzig Jahre bedingte Erscheinung darstellt, während die Träume, Hoffnungen und Sehnsüchte der neuen Ansiedler und des damalig Achtzehnjährigen heute fast unverständlich erscheinen. Zwischen dem jüdischen Palästina, wie es sich durch die zionistische Einwanderung zu entwickeln begann, und dem heutigen Staate Israel kann von keiner Kontinuität in der Entwicklung die Rede sein, vor allem auf Grund der welterschütternden Ereignisse, die sich in diesen Jahrzehnten abgespielt haben.

 Die Nazi-Periode hat nicht nur ein Drittel des jüdischen Volkes vernichtet, sondern die natürliche, harmonische Verwirklichung des Zionismus in Palästina unterbrochen. Hätte Hitler nicht seine "Endlösung des jüdischen Problems" beschlossen, so wäre die Einwanderung der Juden nach Erez-Israel von Jahr zu Jahr steigend vor sich gegangen, trotz der Schwierigkeiten durch die oft antizionistische Einstellung der englischen Mandats-Administration, die das Weltjudentum und die Millionen nichtjüdischer Freunde des Zionismus überwunden hätten. Ein sich organisch entwickelnder jüdischer Staat hätte früher oder später versucht, die Araber im Lande in seinen Aufbauprozeß einzufügen, und trotz des Kampfes um die jüdische Arbeit wäre es wahrscheinlich möglich gewesen, den Arabern eine Beteiligung an den jüdischen Unternehmungen zu gewähren, sowohl landwirtschaftlich als auch industriell. Damit wäre die Grundlage gelegt worden für ein friedliches Beisammensein der Juden und Araber, entweder in einem Zusammenleben mit voller Autonomie beider Teile oder in einem geteilten Palästina mit getrennten Staaten, und so wäre das schwierigste Problem von heute, die Feindseligkeit der arabischen Welt zu Israel, vermieden worden. Bei einer solchen Entwicklung wäre es möglich gewesen, das Land im Geiste der Ideale, Träume und Hoffnungen der Begründer des Zionismus aufzubauen, und - wenn es auch keinem Ideal vergönnt ist, sich hundertprozentig zu realisieren - so hätte der neue Staat doch den Charakter und den Aspekt der ursprünglichen Ideologie getragen, in der Atmosphäre, wie sie in den "Reisebriefen" zum Ausdruck kommt.

 All dies wurde brutal durch die Hitlerperiode unterbrochen. Nicht nur wurden sechs Millionen Juden vernichtet - vor allem die ost- und mitteleuropäischen Juden, die das natürliche Reservoir für eine langsam steigende Einwanderung in Palästina gebildet hätten - sondern der Schock dieser Tragödie machte es unvermeidlich, zu versuchen, die politische Verwirklichung des Zionismus schneller herbeizuführen, als es natürlich bedingt gewesen war. Der Gedanke der Teilung Palästinas wurde durch die wachsende Feindseligkeit des englischen Mandats zur entscheidenden Parole, und die zionistische Bewegung setzte alles daran, die Großmächte und die Vereinten Nationen für die Annahme dieser Forderung zu gewinnen. Auch dieser Sieg war eine Folge der Hitlerperiode, denn ohne das Bewußtsein von Auschwitz im Hintergrund zweifle ich, ob die Zweidrittelmehrheit der U. N. 1947 für einen jüdischen Staat gestimmt hätte; dies bezieht sich sowohl auf die demokratischen als auch die kommunistischen Staaten, die sich sogar anfangs eifriger für einen jüdischen Staat in einem geteilten Palästina einsetzten als die Demokratien unter der Führung der Vereinigten Staaten, während sich England gewollt abseits hielt und sich an keiner Abstimmung beteiligte.
Aus der Annahme des Teilungsplans und der Schaffung eines jüdischen Staates ergaben sich zwei Folgen, die den Charakter des Israels von heute tiefgehend bestimmt haben.

 Die erste war, daß die Staatsgründung mit einem Krieg gegen die Araber begann. Da ich in meiner Autobiographie ausführlich davon gesprochen habe, ist hier nicht der Platz davon zu reden, ob es möglich gewesen wäre, einen solchen Krieg zu vermeiden. Jedenfalls begann die "Karriere" Israels mit einem Angriff der arabischen Staaten und einem heldenhaften, unerwarteten Sieg der quantitativ unterlegenen jüdischen Armee, der aber leider keinen Frieden, sondern eine Reihe weiterer Kriege mit sich brachte.

 Die zweite Folge der Staatsgründung nach dem Holocaust war, daß in wenigen Jahren hunderttausende Überlebende der Vernichtungslager nach Israel kamen, die anderswo keinen Platz gefunden hätten, und deren Aufnahme eine der bewundernswertesten Leistungen des jungen jüdischen Staates war. Zu ihnen kamen etliche hunderttausende jüdische Flüchtlinge aus Marokko, Tunesien, Algier, Irak, usw., die wegen des arabisch-israelischen Krieges genötigt waren, diese Länder zu verlassen. Es mußten Lager und später Häuser für die Einwanderer gebaut werden, deren städtischer Ursprung den landwirtschaftlichen Charakter des Landes völlig veränderte. Israel erlitt das Schicksal aller primitiven Länder, die die europäische Welt zu kolonisieren begann, mit industriellen, wissenschaftlichen und teilweise auch künstlerischen Erfolgen, jedoch auch mit allen Übeln der großstädtischen Entwicklung, verstärkt durch das Tempo des Aufbaus.

 Man muß heute in Israel lange herumfahren, um Überbleibsel der Periode zu finden, die in den "Reisebriefen" beschrieben ist. Es gibt zwar noch Kibbuzim und Mochawim, doch stellen sie einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung dar und spielen längst nicht mehr die Rolle wie in der Anfangsperiode des Zionismus. Viele von ihnen haben wichtige industrielle Anlagen, was sie landwirtschaftlich und psychologisch verändert hat, und manche benutzen auswärtige Arbeitskräfte - sowohl Juden, die nicht Mitglieder des Kibbuz sind, wie auch Araber - was ihre Ideologie früher absolut abgelehnt hatte. Was die Beziehungen mit den Arabern betrifft, bleibt die Mehrzahl der Kibbuzim der Linie der Verständigung treu, doch sind eine Reihe zu den "Falken" übergegangen, und einige haben sich Land angeeignet, das während des ersten Krieges von geflohenen Arabern verlassen wurde.

 Unter den Intellektuellen und auch in manchen bürgerlichen Kreisen gibt es noch echte Idealisten, die nicht, wie der Witz lautet "aus Deutschland, sondern aus zionistischem Idealismus" gekommen sind und die trotz ihrer Vereinsamung an ihren Idealen festhalten und dadurch einen gewissen Einfluß ausüben. Von diesen Ausnahmen abgesehen, ist Israel das Bild eines rapide, mit ungeheurer Vitalität, großem Elan und großer Begabung aufgebauten modernen Landes, mit allen Errungenschaften der modernen Technik und den Übeln der spätkapitalistischen Wirtschaft. Alles wurde überhastig gemacht, weil einfach keine Zeit da war. Am sichtbarsten zeigt sich diese möglicherweise unvermeidliche Entwicklung, verursacht durch das Tempo der Immigration, in der Architektur des Landes. In meiner Autobiographie schildere ich die wunderbare Atmosphäre des Landes anläßlich meines ersten Besuches, den idyllischen und harmonischen Charakter seiner Landschaft, ihre beinahe religiöse Stimmung. Von all dem ist heute nicht mehr die Rede. Unter der unmittelbaren Notwendigkeit, hunderttausenden mittellosen Einwanderern ein Dach zu sichern, konnte das Land nicht organisch wachsen und nach keinem Plan gebaut werden. Es wurde alles sozusagen dem Zufall überlassen. So ist der alte Teil Tel-Avivs, zum Beispiel, eine architektonische Mißgeburt, und die Häuser wuchsen ohne Stil und ohne Plan. Die meisten der Einwanderer kamen entweder aus kleinen Städten Osteuropas oder aus den Mellahs von Nordafrika, wo sie in ähnlicher Umgebung von Lärm und Schmutz gelebt hatten. Während diese Bedingungen irgendwie zu der jüdischen Diaspora gehörten, erscheinen sie unerträglich in dem modernen Tel Aviv, das eine amerikanisch-europäische Großstadt sein will; Chagall hat das "Shtetl" in Bildern voller Poesie verewigt, doch kann man sich kaum vorstellen, daß er das Zentrum von Tel Aviv ähnlich malen könnte. Andererseits ist der einzigartige Charakter Jerusalems, einer Stadt, wie es kaum eine andere in der Welt gibt, durch monströse Neubauten entstellt worden, eine der wenigen Sünden des hervorragenden Bürgermeisters Teddy Kollek. Selbst die Kibbuzim, die noch manches vom ursprünglichen Wesen des Landes behalten haben, sind - wie erwähnt - zum Teil industrialisiert worden, mit den entsprechenden sichtbaren Folgen.

 Negativer jedoch als die architektonische Verschandelung des Landes sind die Folgen der Entwicklung in der Politik und der Atmosphäre des Landes. Eines der Hauptideale des Zionismus, das jüdische Volk unabhängig von der Sympathie der Freunde und der Feindschaft der Gegner werden zu lassen, um sich selbst die Kraft zu seiner Erhaltung und seines Überlebens zu schaffen, ist in Israel nur scheinbar verwirklicht, trotz der starken Armee und der vielen Siege. Die Existenz des Staates ist durch die steigende Feindschaft und überwältigende Mehrheit und wachsende Macht der Araber immer mehr gefährdet. Die Kluft zwischen Juden und Arabern wird von Jahr zu Jahr größer. Die Politik Israels ist die eines provinziellen Landes, mit all ihren Kleinlichkeiten und Intrigen, und die idealistischen, demokratischen und progressiven Elemente der Welt, die jahrzehntelang zu Israel standen, sind durch diese Entwicklung enttäuscht; zwar sind sie sich des Holocaust noch zu sehr bewußt, um Israel völlig fallen zu lassen, doch ist eine Entfremdung auf lange Sicht wahrscheinlich. Die einzige Ausnahme sind die USA - wobei man nicht voraussagen kann, wie lange deren unbedingte Unterstützung anhalten wird - und Israel hängt finanziell, militärisch und sogar geistig von Amerika ab (so sehr, daß sowjetische Diplomaten oft im Gespräch mit mir Israel als "den 51. Staat der USA" bezeichneten). Jede radikale Änderung der amerikanischen Politik würde daher die Existenz Israels von einem Tag zum anderen gefährden.

 Ein anderes Phänomen, das für Israels Zukunft von entscheidender Bedeutung ist, ist das Erwachen der arabischen Welt im letzten Jahrzehnt. Es beruht nicht nur auf dem Erdöl, das die arabischen Völker zu den reichsten der Welt gemacht hat, sondern auf dem Entstehen eines arabischen Nationalismus. Dazu kommt das langsame Heranwachsen der "dritten Welt", die nicht länger gewillt ist, sich von den zwei Weltmächten dirigieren zu lassen. Dies hat dem arabisch-israelischen Problem einen neuen Charakter und eine aktuelle Schärfe verliehen. Auch der vorläufige Sonderfrieden mit Ägypten ändert die Lage nicht grundsätzlich, und die Gefahr eines neuen Krieges wird daher das entscheidende Problem Israels. Trotz seiner Vitalität, seines Lebenswillens und seiner ungewöhnlichen Begabungen ist Israel paradoxerweise dazu verurteilt, den größten Teil seiner Energien, nicht nur physisch und finanziell, sondern auch moralisch und geistig - auf seine Selbsterhaltung zu verwenden. Keiner der Ideologen des Zionismus, nicht Hess, nicht Lilienblum, nicht Herzl und nicht Achad Haam, hatten je davon geträumt, daß die Entstehung des Judenstaates permanente Kriege mit den Arabern nach sich ziehen würde. Die Verkennung der Bedeutung der arabischen Welt für die Zukunft Israels ist, was ich die "Erbsünde des Zionismus" nenne, und ich schließe mich in diese Beschuldigung ein, als einer der Wortführer des Zionismus. Diese Grundsituation ist das genaue Gegenteil derjenigen, die 1913 bestand, was ich in drei Beispielen beschreiben will. Erstens ist das Wort "Zionismus" in Israel beinahe zu einem Schimpfwort geworden, besonders unter der Jugend, die als "Zionist" einen Schlemihl, einen Fantast, einen untüchtigen Menschen charakterisiert; alle Bemühungen der Zionistischen Bewegung, die Ideologie wieder zur bestimmenden geistigen Macht in Israel zu machen, sind fehlgeschlagen, zumal fast alle Juden der Welt pro-israelisch sind, ohne Zionisten zu sein.

  

 Zweitens ist die Anzahl der Verbrecher jeder Art - Diebe, Erpresser, Mitglieder der Mafia, Mörder, abgesehen von den Terroristen - in Israel so gestiegen, daß die Gefängnisse zu klein geworden sind, und "Amnesty International" hat mehrfach betont, wie schwer erträglich die Verhältnisse für die Gefangenen deswegen sind. Das dritte und vielleicht entscheidende Beispiel ist, daß im letzten Jahr die Zahl der Auswanderer doppelt so groß war, wie die der Einwanderer, wobei die Auswanderer meist junge Menschen sind, die eine neue Zukunft in anderen Ländern suchen (eine analoge Erscheinung ist allerdings bereits in den "Reisebriefen" erwähnt), während die Einwanderer nach Israel zum Großteil ältere Juden, vor allem aus Osteuropa, sind, denen es unmöglich ist, anderswo hinzuziehen. Eine Ausnahme bilden die religiösen Immigranten, die zum großen Teil auch jüngere Menschen sind.

 Historisch betrachtet bedeutet diese ganze Entwicklung, daß von der reichhaltigen Ideologie des Zionismus, mit seinen vielen Aspekten - sozial, religiös, menschheitlich, kulturell, physisch - eigentlich nur einer verwirklicht wurde, nämlich die Idee eines eigenen Staates, was jedoch nicht der entscheidende Inhalt des Zionismus war. Es ist bemerkenswert, daß in der tausendjährigen jüdischen Tradition der Begriff "Staat" keine Rolle spielt. Die einzigartige und einmalige Loyalität des jüdischen Volkes galt "Erez-Israel", dem Lande und man findet in keinem großen Werk der hebräischen Literatur den Begriff "Medinat Israel" Staat. Auch waren die staatlichen Perioden der jüdischen Geschichte nicht die Höhepunkte der Entwicklung des Volkes; mit Ausnahme von David und Salomon, die wegen der Psalmen und des Hohelieds, nicht wegen ihrer Rolle als Könige, im Bewußtsein der Juden geblieben sind, erinnert man sich kaum an die Könige der Reiche Juda und Israel.

  Die Propheten und die Talmudisten, die Schöpfer der jüdischen Gesetzgebung und des jüdischen Lebens in der Diaspora, die das geschaffen haben, was Heinrich Heine das "portative Vaterland" der Juden nannte, sind für die jüdische Geschichte ausschlaggebend. Um Mißverständnisse zu vermeiden, will ich betonen, daß ich damit nicht dem zionistischen Ideal eines Judenstaates Absage erteile. Ich war einer der ersten Vorkämpfer für die Teilung Palästinas und die Schaffung eines eigenen jüdischen Staates, und halte noch heute an dieser Idee fest, weil nur ein unabhängiges Land, in der heutigen politischen Form eines nationalen Staates, die Zukunft des jüdischen Volkes sichern kann, da durch die Emanzipation und die Assimilation die Wirkung der Religion, die die Juden in ihrem abgesondertem Gettoleben erhalten hatte, mehr oder minder geschwächt wurde.

 Was Menschen in ihrem Tun bestimmt, ist viel weniger Ideologie als Psychologie: die Psychologie eines Menschen oder eines Kollektivs schafft sich die notwendige Ideologie zur Begründung seiner Forderungen, seiner Wünsche und seiner Hoffnungen. Juden sind an sich ein eigensinniges und hartnäckiges Volk, was ihr Überleben während der Jahrhunderte der Diaspora erklärt. Diese psychologische Grundanlage des jüdischen Volkes wurde durch die besonderen Umstände der Masseneinwanderung nach der Staatsgründung noch verstärkt. Es kamen zuerst die Überlebenden aus den Vernichtungslagern, deren Mißtrauen gegen Nichtjuden im allgemeinen und Zweifel an Hilfe von Außenstehenden durch ihre Erlebnisse während des Holocaust verständlich sind. Da sie erlebt hatten, wie die demokratischen und kommunistischen Staaten die Vernichtung der Juden durch die Nazis mit ansahen, ohne etwas Effektives zur Rettung der sechs Millionen zu unternehmen, ist es beinahe vergeblich, ihnen zu sagen, daß die Sicherheit Israels besser durch ernste internationale Garantien als durch eine eigene starke Armee geschützt wäre. Nach ihnen kamen die orientalischen Juden, die zwar von den Arabern nie so verfolgt wurden wie die Juden in Nazi-Deutschland oder im zaristischen Rußland, die jedoch als Bürger zweiten Ranges unter arabischer Herrschaft gelebt hatten und daher ein starkes Ressentiment mit ins Land brachten.

  Beide Faktoren zusammen erklären, warum es der israelischen Führerschaft schwerfällt, Konzessionen zu machen, die arabischen Gegner als Gleichberechtigte anzuerkennen, taktvoll und flexibel in der Verhandlung zu sein. Nach dem Sinai-Feldzug von 1956 konnte ein Mann von großem Prestige wie Ben Gurion, auf ein Ultimatum von Eisenhower und Kruschtschow hin, 24 Stunden, nachdem er erklärt hatte, ein neues, großes Israel sei geboren, den Befehl zum Rückzug geben. Heute gibt es niemand in Israel, der diese Autorität und Willenskraft besitzt, und so fürchte ich, daß eine Politik, die auf Ausgleich mit den Arabern zielt, erst zustande kommen kann, wenn auswärtige Mächte - vor allem die USA, von denen Israel in hohem Maße abhängt - ihren Einfluß ausüben.

 Lord Actons Satz, daß "Macht korrumpiert", hat meines Erachtens noch größere Bedeutung kollektiv als individuell gesehen. In dem Konflikt zwischen Adler und Freud, ob Machtdrang oder Sex die Menschen stärker motiviert, neige ich dazu, Adler recht zu geben. Abgesehen vom Religiösen bewegt Menschen nichts stärker als Eitelkeit, Geldsucht und die Gier nach Macht. Andere zu beherrschen ist eine Art Surrogat für den Willen nach Unsterblichkeit, der jedem angeboren ist, und gibt einem die Illusion der Ewigkeit in dem, was man erstrebt und tut.

 Diese allgemeine Betrachtung, die für Juden wie für andere VöIker gleich gilt, hat eine besondere Bedeutung in der Periode des Aufbaus des neuen Israels, weil es sich um den Willen zur Macht seitens eines Volkes handelt, das zweitausend Jahre lang machtlos gewesen war. Für die Überlebenden der Nazi-Verfolgung war die Einwanderung in ihr eigenes Land, von einem Zustand der Verfolgung, Mißhandlung, Verachtung und Vernichtung in eine Position der Souveränität und der militärischen Macht gegenüber den Arabern, eine Wandlung von tiefgehender, erschütternder psychologischer Wirkung.

 Juden, die noch vorgestern in Auschwitz und Treblinka die Vernichtungen miterlebt hatten, sahen sich plötzlich als Bürger eines souveränen Staates, als Sieger im Kriege mit den Arabern, bewundert von den meisten Staaten der Welt und verwöhnt infolge des schlechten Gewissens der Nationen wegen ihrer Haltung in der Hitlerperiode. Als Kehrseite seiner vielen Begabungen und ungewöhnlichen Fähigkeiten hat das jüdische Volk schon immer die Tendenz gehabt, sich selbst und alles, was mit ihm und um es geschieht, zu wichtig zu nehmen, sich im Mittelpunkt der Welt zu sehen. Der großartigste Ausdruck dieser im tiefsten Wesen des Judentums verankerten Tendenz ist der Gedanke des Monotheismus, die Konzeption eines einzigen Gottes, der die Welt in wenigen Tagen geschaffen hat und sie allein beherrscht und das jüdische Volk als einziges auserwählt hat, um seine Gebote in der Welt durchzusetzen. Auch die Griechen unterschieden zwischen sich und Barbaren, und andere Völker nehmen sich ernst, doch kaum eines war so egozentrisch wie das jüdische in allen Epochen, in der Verfolgung wie in der Gleichberechtigung, in der Machtlosigkeit wie in der Souveränität. Ähnlich wie andere Semiten lebt das jüdische Volk in Superlativen und Übertreibungen.

 Verbunden mit dem Rausch an Macht kommt, nicht nur bei den religiösen Israelis, sondern auch bei vielen nicht-orthodoxen Elementen, die Kraft der religiösen Tradition, die Erinnerung an das "große Israel", welches in verschiedenen, wenn auch nicht langen, Perioden der jüdischen Geschichte bestanden hat. Dies erschwert es, Israel zu einer flexiblen Politik zu veranlassen und die Errungenschaften seiner militärischen Siege auch nur teilweise preiszugeben. Diese Situation wird sich wohl erst ändern, wenn Israel die Ausnahmestellung verliert, die es heute einnimmt auf Grund des Zögerns der nichtjüdischen Welt, wegen ihres schlechten Gewissens gegenüber der Juden, ihre Mißbilligung Israels aggressiver Politik öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Es wird einen Schock für viele Israeli bedeuten, eines Tages wahrzunehmen, daß Israel nicht mehr die unbedingte Unterstützung der demokratischen Welt, vor allem Amerikas, genießt. Aber wie es Krankheiten gibt, die ohne eine Schockreaktion nicht zur Heilung gelangen, ist es auch für Israel eine unvermeidliche Notwendigkeit, einen solchen Schock zu erleiden, bevor es der Partner eines dauernden Friedens mit den Arabern werden kann.

 Solange der heutige Machtrausch besteht, sind alle Mahnungen zur Mäßigung und zur Kompromißbereitschaft wirkungslos, und das übertriebene Selbstbewußtsein wird die Isolierung Israels noch weiter beschleunigen. Die nicht geringe Zahl von Intellektuellen und anderen, die die heutige Politik Begins scharf ablehnen, können in dieser Stimmung praktisch keinen Einfluß auf die Politik Israels ausüben. Die Psychologie Israels wird sich erst nach einem krassen Umschwung ändern, nachdem der arabische Druck schneller, als man es annimmt, zu einer Änderung der Weltpolitik im Nahen Osten geführt haben wird, und die Demokratien, vor allem die USA, sich nicht mehr einseitig auf die Seite Israels gegen die Araber stellen werden.

 In diesem Vergleich zwischen dem Palästina von 1913 und dem Israel von 1982 muß auch die spezifische Rolle, die die Religion in der psychologischen Situation spielt, betrachtet werden. Mit Ausnahme vielleicht der Armenier und auch der Griechen, gibt es kein Volk, in dem das religiöse Element in der politischen Struktur so wesentlich ist wie im Falle der Juden, für die Religion und Volkstum unzertrennbar und unteilbar im Laufe der Jahrhunderte waren. Mit dem nationalen Gedanken allein hätten sich die Juden in der Diaspora nicht lange erhalten, und von den vielen Merkmalen des jüdischen Volkes - Rasse, Volkstum, Religion, historische Loyalität - hat m. E. die Religion die wichtigste Rolle im Überleben des Judentums gespielt. Die Religion hat die Isolierung der Juden im Gettoleben verursacht, hat ihnen ihr "portatives Vaterland" geschaffen und es ihnen so ermöglicht, sich als kleine, verfolgte, bedrohte Minderheit zu erhalten. Ob der nationale Gedanke in der Form des modernen Zionismus und des Staates Israel die Rolle der Religion im Überleben des Volkes spielen kann, ist noch längst nicht entschieden.

 Der moderne Zionismus war gewissermaßen eine Entstellung jüdischer Geschichte. Der größte Teil des orthodoxen Judentums stand ausgesprochen feindselig zu der "Eroberung der Gemeinden" durch den zionistischen Gedanken, und noch heute betrachtet die extreme Orthodoxie die Proklamation des Staates als eine Verletzung von Gottes Willen, als einen Versuch, dem Messias zuvorzukommen und die göttliche Erlösung durch realpolitische Methoden zu ersetzen. Die meisten Ideologen des Zionismus haben nicht nur, wie bereits erwähnt, den arabischen Faktor, sondern auch die Bedeutung des religiösen Elements unterschätzt. Herzl war areligiös und dachte sogar zeitweise daran, die Lösung des Judenproblems durch eine Massentaufe herbeizuführen; auch die anderen maßgebenden Führer des Zionismus, wie Ben Gurion und Weizmann, die zwar mehr von jüdischer Tradition wußten als Herzl, waren ebenso areligiös wie er. In der ersten Periode des Aufbaus von Palästina durch die Biluim, die jungen Kibbuzniks und andere Einwanderer, gab man der Religion keinerlei Bedeutung, und man übersah den Gegensatz zwischen dem modernen Staatsnationalismus, den der Zionismus darstellte, und der religiösen Konzeption des Judentums, die Jahrtausende lang die jüdische Geschichte bestimmt hatte.

 Von Anfang an gab es zwar eine kleine Gruppe orthodoxer Juden, die den zionistischen Gedanken annahmen und versuchten, eine Synthese zwischen Religion und Nationalismus zu schaffen. Sie bildeten später die "Misrachi", eine politische Partei, die trotz ihrer relativ kleinen Mitgliederschaft einen großen parlamentarischen Einfluß ausübte.

 Als eine der wenigen Ausnahmen unter den zionistischen Führern war sich Ben Gurion der Bedeutung dieses Faktors bewußt, und ich habe viele Stunden mit ihm darüber diskutiert. Trotz innerlichem Widerstand konnte ich ihm in seinem Argument nicht unrecht geben, daß jede Verfassung Israels zu einer Spaltung des Volkes führen würde, da die Orthodoxen darauf bestehen müßten, daß die Verfassung auf den Grundsätzen des jüdischen Gesetzes, der Bibel, des Talmuds und der Halacha beruhen müsse, was die nicht-orthodoxe Majorität nicht anerkennen würde. Die innenpolitische Schwäche Israels, seit über dreißig Jahren ohne eine Verfassung zu existieren und daher der Regierung Vollmachten einzuräumen, die nur wenige andere demokratische Regierungen besitzen, ist in diesem Konflikt zwischen Nationalismus und Religion begründet. Das Problem beginnt schärfere und, von vielen Gesichtspunkten aus, katastrophale Formen anzunehmen, besonders seit Begins Machtantritt. Die religiöse Strömung ist heutzutage viel stärker wirksam als zu den Zeiten Ben Gurions und Golda Meirs, wegen der Konzessionen, die die Regierung, um im Parlament zu überleben, der Orthodoxie macht, die nicht nur das Zünglein an der Waage ist, sondern objektiv durch die Einwanderung orthodoxer Elemente und die Annäherung eines Teils der Bevölkerung an die religiösen Gruppen gestärkt wird.

 Zwei Parteien in der Knesset, dem israelischen Parlament, verfolgen die Tendenz, die Religion mit dem modernen Zionismus zu vereinbaren, das heißt, den Judenstaat zu akzeptieren, aber dafür zu sorgen, daß er religiös fundiert ist und sein Leben durch die Halacha bestimmt wird. Eine ist die bereits erwähnte "Misrachi"-Gruppe, die zusammen mit ihrer Arbeiterfaktion die Nationale Religiöse Partei bildet; die zweite ist die "Agudat Israel"-Partei. Beide beteiligen sich an den Wahlen und, obwohl sie zusammen weniger als ein Drittel der Stimmen auf sich gezogen haben, üben sie einen viel größeren Einfluß aus, als ihnen zahlenmäßig zukommt, weil weder die Arbeiterpartei bis 1977, noch der Likud unter Begin jemals eine Majorität besaßen. Dadurch geraten die religiösen Parteien in eine ausschlaggebende Position, die sie rücksichtslos ausnützen. Ohne hier ins einzelne zu gehen, seien einige Beispiele für die zunehmend religiöse Tendenz der israelischen Gesetzgebung gegeben: Am Sabbat fahren weder Züge noch Busse, und es wird darüber diskutiert, ab auch die Flüge der El Al am Samstag eingestellt werden; Autopsien werden in Spitälern erschwert, wenn nicht verhindert; die Familiengesetzgebung untersteht dem Rabbinat, so daß Mischehen unmöglich sind und die nicht-jüdischen Ehepartner, die zum Judentum übertreten möchten, es nach den strengen Vorschriften der Halacha tun müssen. Die zwei großen nicht-orthodoxen Strömungen im religiösen Judentum der Diaspora - die Konservativen einerseits, die zwar die Halacha anerkennen, sie aber gemäßigt anwenden, die Reformbewegung andererseits, die die Halacha überhaupt nicht anerkennt - werden in Israel als Juden zweiten Ranges, und ihre Rabbiner nicht als solche betrachtet. Beträchtliche Summen des Staatsbudgets werden zur Unterstützung der religiösen Schulen und der Jeschiwot angewandt, deren Studenten vom Militärdienst befreit sind; bei den Mädchen genügt es sogar, daß sie sich als fromm erklären, um nicht in der Armee dienen zu müssen. Weniger bedeutsam, aber interessant ist die Tatsache, daß die christlichen Oratorien von Bach und Händel in Israel nicht gespielt werden.

 Vielleicht das gefährlichste Phänomen in der zunehmend religiösen Entwicklung Israels stellt eine neue Gruppe dar, die sich unter dem Name "Gusch Emunim", "Block der Treuen", gebildet hat, und die in ihrem Wesen heute das idealistischste Element des Landes ist. Wie früher die Chalutzim ihr Leben, ihre Bequemlichkeit, ihre Gesundheit zum Opfer brachten, um Kolonien zu schaffen und das Land aufzubauen, bringt heute der "Gusch Emunim" große persönliche Opfer durch seine Ansiedlungen an der Westbank und im Sinai. Seine Anhänger verbinden religiösen Fanatismus mit nationalistischer Aggression, die gefährlichste Kombination in der Politik überhaupt, und auch wenn sie eine kleine Minorität in Israel bleiben, können sie viel mehr Einfluß ausüben, als ihnen numerisch zukommt. Obwohl sie beinahe die einzigen wirklichen Vertreter des ursprünglichen zionistischen Idealismus geblieben sind, wie er den jüdischen Staat gebaut hat, haben sie das Bild Israels entschieden verändert: mehr und mehr als ein reaktionäres, politisch aggressives und religiös intolerantes Land angesehen, wird Israel von den progressiven Elementen der Welt und von erheblichen Teilen der jüdischen Jugend in der Diaspora grundsätzlich abgelehnt.

 Neben ihnen besteht in Israel ein ganz anderes religiöses Phänomen, am besten symbolisiert durch das orthodoxe Viertel Jerusalems, "Meah Schearim", die "Hundert Tore", und durch die Gruppe der "Neturei Karta", die "Hüter der Stadt", die wahren Träger der zweitausendjährigen Tradition der strikten, kompromißlosen, unnachgiebigen religiösen Orthodoxie. Ihr Leben basiert nicht nur auf den Geboten der Bibel, sondern auf allen Kommentaren und Erschwerungen dieser Gebote in der rabbinischen Literatur, wie sie im "Schulchan Aruch" zusammengefaßt ist, und ihre Bewertung der Gesetze kennt kein Maß und keine Nuancierung, sondern die geringste Vorschrift wird gewissermaßen als von Moses am Sinai im Namen Gottes dem Volke auferlegt betrachtet. Die einzige Gruppe, die sich nicht im geringsten geändert hat und heute genau so ist, wie sie in den "Reisebriefen" beschrieben ist, sind diese "Neturei Karta". Sie leben in Jerusalem, wie sie im Getto lebten. Sie haben den jüdischen Staat nicht anerkannt, sie gehen nicht in die Armee, zahlen keine Steuern, und manche gehen soweit - was beinahe lächerlich erscheint -, daß sie ihre Post von Zypern aus verschicken lassen, um keine Briefmarken des Staates Israel zu verwenden. Ihre Überzeugung ist durch keine Politik beeinflußt und daher sind sie, psychologisch und menschlich gesehen, viel bewundernswerter als der "Gusch Emunim", der politische Tücken mit religiösen Forderungen mischt. Die "Neturei Karta" leben heute, wie 1913, fern jeder modernen Lebensform, oft verwahrlost und unhygienisch, basiert auf der Chaluka dem Studium des Talmuds gewidmet. Weder der Zionismus noch der Holocaust haben auf sie einen direkten Einfluß ausgeübt. Sie bezweifeln nicht Gottes Weisheit und Güte und akzeptieren die Vernichtung der sechs Millionen europäischen Juden als eine göttliche Strafe. Den Zionismus betrachten sie als eine Versündigung, die das Kommen des Messias verhindert, und sie senden gelegentlich Telegramme an Arafat, den Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation, den sie als einen Freund der Juden betrachten. Sie beweisen die Willensstärke, die letzten Endes das Überleben des jüdischen Volkes erklärt, und es ist ein tief erschreckender Gedanke, daß sie u.U. diejenigen bleiben könnten, die alle anderen überleben werden. Auf Grund der Emanzipation und der Assimilation ist die Existenz der Juden in der Diaspora heute immer mehr gefährdet. Die einzige Gruppe, die gewiß alle Gefahren und Anfechtungen überstehen wird, sind in Israel die Anhänger der "Neturei Karta", die in Brooklyn durch die Chassidim des Satmar Rebbe charakterisiert sind. Es ist nicht uninteressant, daß sie auch unter der Jugend in bescheidenem Maße Anhänger finden, und für gewisse junge Juden, die den Weg zurück zur Religion suchen, sind sie attraktiver als der moderne jüdische Staat und seine auf der Armee beruhende Politik.

 Ich will damit nicht sagen, daß sie unvermeidlich, wie schon oft in der Geschichte, die einzige überlebende Minorität sein werden, obschon man zugeben muß, daß manches in der zweitausendjährigen Diasporageschichte des jüdischen Volkes für diese Möglichkeit spricht. Der bedeutendste jüdische Historiker heute, Prof. Salo Baron hat mehrfach die Theorie geäußert, daß wenn alle Juden Juden geblieben wären, es jetzt etwa hundert Millionen in der Welt gäbe. Der größte Teil ging jedoch unter, teils verfolgt und vernichtet, teils gezwungen, zum Christentum oder Islam überzutreten, und hauptsächlich assimiliert, infolge des Verlusts der jüdischen Identität.

 Ich bin jedoch nicht der Meinung, daß das Schicksal der heutigen jüdischen Generation ein ähnliches sein muß. Ich glaube nach wie vor an die Existenz Israels und an die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz mit den Arabern und sehe auf arabischer Seite viel mehr Geneigtheit als vor zehn oder zwanzig Jahren, einen jüdischen Staat anzuerkennen, der allerdings ganz anders sein muß als der jetzige. Statt auf Machtpolitik zu beruhen und den falschen Ehrgeiz zu haben, eine Rolle in der Weltpolitik zu spielen und der Verbündete der USA im Nahen Osten zu sein, müßte Israel zwar formell ein souveräner Staat sein, in Wahrheit jedoch ein geistiges Zentrum für das jüdische Volk, darauf konzentriert, neue religiöse, soziale und kulturelle Werte zu schaffen, und damit eine neue Basis jüdischer Existenz auch in der Diaspora, nachdem die Religion ihre überwiegende Funktion als Faktor der Sicherung jüdischen Überlebens in hohem Maße eingebüßt hat.

 Betrachtet man die Entwicklung der zionistischen Bewegung in diesen siebzig Jahren, so muß man zu dem Schluß kommen, daß sie einen völlig verfehlten Weg eingeschlagen hat. Die Schuld daran liegt weniger an den zionistischen Führern noch ihren Anhängern, sondern, wie schon dargelegt, an der Unterbrechung der normalen Geschichte Europas und des Nahen Ostens durch die Naziperiode. Hitlers Ziel war es, das jüdische Volk zu vernichten, was ihm mißlungen ist. Was ihm jedoch in hohem Maße gelungen ist, war, die Existenz des Volkes in der Diaspora und auch in Palästina grundlegend umzugestalten und den ganzen Charakter des Aufbaus Israels, wie bereits erwähnt, infolge des Holocaust und der Masseneinwanderung der Überlebenden zu ändern.

 Um nur ein Beispiel zu geben. In Zeiten der langsamen Einwanderung lag der Schwerpunkt der zionistischen Zielsetzung weniger in einem Staat als in idealistischen Hoffnungen, Juden zur natürlichen Lebensweise zurückzubringen, jüdische Arbeit zur Grundlage jüdischer Existenz zu machen, eine neue Sprache und eine neue Kultur zu entwickeln, die, ohne Beeinflussung durch die umgebende Majorität, das Wesen des Judentums in reiner und unverfälschter Form wieder zum Ausdruck bringen würde. Der Gedanke, an Stelle einer nationalen Heimstätte - wie es die Balfour-Deklaration formulierte - einen modernen Staat zu erstreben, wäre ohne die Nazibedrohung erst viel später erfolgt. Als es auf dem Baseler Kongreß zu dem Konflikt kam, in dem Jabotinsky seine Delegiertenkarte zerriß und eine neue zionistische Organisation gründete, weil die Majorität seinen Vorschlag eines jüdischen Staates abgelehnt hatte, waren die meisten seiner Gegner im Herzen nicht gegen seine Forderung, sondern sie hielten sie für taktisch zu früh verkündet. Wir alle spürten, daß die Zeit bald kommen würde, in der man nicht nur eine Heimstätte für große Zahlen von heimatlosen Juden werde suchen müssen, sondern daß gegen die Gefahren des Nazismus nur ein eigener Staat, mit dem Recht zur Selbstverteidigung und der Sammlung aller bedrohten Juden, Hilfe leisten werde. Ohne den Hintergrund der Nazigefahr wäre der Gedanke der Teilung Palästinas, wie ihn Schertik, Weizmann, Ben Gurion und ich entwickelten, nie Realität geworden. Die unvermeidliche, tragische Folge der Hitlerperiode war es, daß der Inhalt des jüdischen Staates, wie er nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, grundlegend verändert wurde.

  Von den Idealen der Generation, die die Grundlagen Israels gelegt und die attraktiven Aspekte des Zionismus zu verwirklichen begonnen hat, ist nur sehr wenig übriggeblieben. Wenn das, was man die Assimilation des Zionismus an die nichtjüdische Umwelt nennen kann, fortdauert und Israel weiter bei seiner Feindseligkeit gegen die Araber, seiner Isoliertheit in der Welt, seiner wachsenden ökonomischen Krise und seiner Konzentration auf Sicherheit und Verteidigung bleibt, dann wird das in kurzer Zeit zu einer Entstellung des zionistischen Gedankens und einer Verfälschung seiner Ideale führen müssen.

 Ich gehöre nicht zu denen, die diese Entwicklung für unvermeidlich halten, sonst müßte ich den größeren Teil meines Lebenswerkes - und das von Hunderten meiner Mitarbeiter und Freunde - als gescheitert betrachten. Ich glaube im Gegenteil, daß noch immer die Möglichkeit besteht, eine Änderung der Situation herbeizuführen, wenn ich auch fürchte, daß diese Änderung weniger von einer inneren Neubesinnung als von einem Druck von außen kommen wird. Die erste Voraussetzung dafür ist, einen totalen Frieden mit der arabischen Welt herbeizuführen und dadurch dem israelischen Volk eine gesicherte Existenz zu ermöglichen, wahrscheinlich mit einigen Änderungen in den Grenzen Israels vor dem Sechstagekrieg.

  Bei allen Fehlern, die begangen wurden, haben die wenigen Generationen, die das Israel von heute aufgebaut haben, große charakterliche und geistige Eigenschaften und Energien an den Tag gelegt, und es wurde viel Großartiges geschaffen. Trotz aller ungünstigen Voraussetzungen wurde ein wüstes Land fruchtbar gemacht; es wurde eine vielseitige Industrie entwickelt, die exportfähig ist; Universitäten wurden geschaffen, die sich neben den besten der Welt sehen lassen können, sowie wissenschaftliche Institute von Weltruf, wie das Weizmann Institut; das Philharmonische Orchester gehört zu den besten der Welt, und in Israel herrscht ein reges musikalisches Leben. Israel hat trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten seine Bevölkerung verfünffacht und hat Hunderttausenden von Juden eine neue Heimstätte und würdige Lebensbedingungen verschafft. Wenn man auch die aggressive Politik, die zum Teil an den Kriegen mit schuld ist, verurteilen kann, muß man sowohl die Fähigkeiten wie den Mut der Israelis bewundern, die nach zweitausend Jahren der Unterdrückung in kürzester Zeit eine Armee geschaffen haben, die eine ungeheuer überlegene Anzahl Araber in vier Kriegen besiegt und dabei große technische Fähigkeiten, Idealismus, Opferbereitschaft und Mut an den Tag gelegt hat.

 Angesichts dieser geistigen, religiösen, moralischen und technischen großartigen Eigenschaften, kann man durchaus die Hoffnung hegen, daß Israel fähig sein wird, eine Änderung herbeizuführen. Es kommt darauf an, einen neuen Zionismus zu schaffen, der im wesentlichen in Israel selbst verankert ist und seine Zielsetzung in Israel hat.

 Die Zionistische Organisation in ihrer heutigen Form ist ein überaltertes und sehr bürokratisiertes Überbleibsel. Die große Mehrheit der Juden, die sich bewußt jüdisch fühlt, ist nicht weniger zionistisch als die Mitglieder der meist schädlich wirkenden zionistischen Parteien und die formellen Anhänger des "Jerusalem Programms". Die Diaspora braucht im Grunde keine zionistische Bewegung mehr; wieweit sie Israel unterstützt und sich mit Israel solidarisch erklärt, wird von dem Ansehen Israels und dem Ausmaß der jüdischen Identität in der Diaspora abhängen. Was Israel braucht, ist ein israelischer Zionismus, der sich zur Aufgabe stellt, die Situation umzugestalten und zu den ursprünglichen Idealen des Zionismus zurückzukehren. Sie sind der wesentliche Faktor gewesen, der das Entstehen des jüdischen Staates ermöglicht hat.

 Ein solcher Zionismus kann nur entstehen, wenn Frieden herrscht. Solange Israel ständig von arabischen Aggressionen bedroht ist, muß es selbstverständlich in erster Linie an seine Sicherheit und Selbsterhaltung denken. Erst ein Israel, das nicht ein Staat wie alle anderen sein wird, sondern sich, neben aller sogenannten Souveränität, auf seine geistigen, sozialen und religiösen Schöpfungen konzentrieren kann, wird eine solche zionistische Renaissance ermöglichen. Ob meine Hoffnung begründet ist, oder ob sie die Illusion eines Menschen ist, der siebzig Jahre seines Lebens der zionistischen Idee gewidmet hat, kann ich allein nicht beurteilen. Ich halte mit meiner Kritik an Israel nicht zurück und habe mir viel Gegnerschaft und oft unberechtigte Angriffe damit zugezogen, aber so, wie Komplimente mich niemals bewogen haben, meine Leistungen zu überschätzen, können Angriffe mich nicht dazu bringen, meine tiefsten Hoffnungen aufzugeben.

 Der Talmud sagt, daß nach der Zerstörung des zweitens Tempels nur halbe Narren Propheten sind. Was jemand finden wird, der nach weiteren siebzig Jahren einen ähnlichen Vergleich unternehmen wird, wie ich es heute tue, kann ich nicht voraussehen. Ich glaube jedoch schon jetzt, die Anzeichen eines positiven Umschwungs zu erkennen.

 Die Krise, in der Israel heute lebt, ist so akut, daß sie nicht lange anhalten kann. Nach einem jüdischen Witz antwortet ein Jude, den man fragt, wie es ihm gehe, "Nicht gut, aber besser als morgen." Ich glaube nicht, daß dieser Witz auf das Israel von heute Anwendung findet. Die Welt kann sich nicht erlauben, Israel fallenzulassen, doch ist sie andererseits gezwungen, mit den Arabern verträgliche und freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, was ohne einen arabisch-israelischen Frieden auf Dauer unmöglich ist. Diese beiden Motivationen begründen meine Hoffnung, daß wir einer Lösung des Nahostproblems näher stehen, als es in den letzten Jahren der Fall zu sein schien. Diesen Vergleich zwischen dem Palästina von 1913 und dem Israel von 1982 will ich damit schließen, und wiederholen, daß die Entwicklung in diesen siebzig Jahren infolge der Hitlerperiode zu einer Entstellung des Zionismus geführt hat. In Israel und in der Diaspora entwickelt sich jedoch eine neue Tendenz, die wieder den Anschluß finden wird an die großen Ideale und die ehrgeizigen Bestrebungen des Zionismus in seiner klassischen Form, die ihn zu einer der wertvollsten und interessantesten Bewegungen unseres Jahrhunderts gemacht haben. Ich bin zuversichtlich, daß der jüdische Staat und das Weltjudentum stark genug sein werden, die Entstellung des zionistischen Gedankens, wie sie die Realität Israels heute darstellt, zu überleben, und in Israel die schöpferischen und unvergänglichen Aspekte des Zionismus zu verwirklichen.