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35. Jahrgang InternetAusgabe 2001
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Schule in Hessen

 

Aus der Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Wilhelmschule und zur Einweihung des Neubaus

 In großer Dankbarkeit feiern die Eltern, die Lehrer, die ehemaligen und gegenwärtigen Schüler der Wilhelmschule das 75jährige Jubiläum der Gründung des Wilhelmsgymnasiums, der heutigen Wilhelmschule. Sie können das Jubiläum mit besonderer Freude feiern, weil sie an diesem Tage einen Neubau einweihen dürfen, der der Wilhelmschule nach zwanzig Jahren der Wanderschaft von Unterkunft zu Unterkunft eine endg0ltige Heimat gibt.

 Nach der Zerstörung der Schule im Oktober 1943, nach dem Exil auf dem Knüll und in der Schwalm, nach einem mühseligen Wiederaufbau in der Humboldtstraße wurde die Wilhelmschule gegen ihren Wunsch gezwungen, von Ostern 1950 ab den Unterricht in einer ehemaligen Kaserne in Wilhelmshöhe fortzuführen. Vor drei Jahren bezog die Oberstufe einen Teil des jetzigen Neubaues, der nun in allen Teilen fertiggestellt ist und am Tage unserer Jubiläumsfeier seiner Bestimmung übergeben werden kann.

 Der Weg zu diesem Ziel war steinig und forderte einen jahrelangen unermüdlichen Kampf. Der Wilhelmschule wurde tatkräftige Hilfe zuteil, f0r die ich hier meinen Dank abstatten will. Mein Dank gebührt dem Elternbeirat, besonders seinen beiden Vorsitzenden, Direktor Dr. Albrecht und Senatspräsident Borbein, die mich in den harten Auseinandersetzungen um den für die Wilhelmschule überaus günstigen Bauplatz unterstützten.

 Ich danke dem Herrn Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Dr. Lauritzen, für seine vermittelnde Hilfe und dem Herrn Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Dr. Zinn, für seine entscheidende Unterstützung. Der hessische Staat hat der Wilhelmschule nicht nur das wertvolle Baugelände kostenlos übergeben, sondern er hat auch die vollen Baukosten für das neue Haus übernommen.

 Herrn Baudirektor Noell, dem Leiter des Hochbauamtes der Stadt Kassel, der die Schule baute, schulde ich besonderen Dank. Er gab meiner dringenden Bitte, die in Hessen übliche Verschmelzung von Turnhalle und Aula nicht für unsere Schule zu planen, nach und schuf die Baulösung des überdachten Innenhofes, das Atrium. Wir haben jetzt einen großen Raum, einen prachtvollen Festsaal mit Bühne, Orgelempore, Parkett und mehreren Rängen, in dem wir unsere wöchentlichen Andachten halten, Konzerte veranstalten, Theater spielen und Schulfeste feiern können.

 

 Gedankt sei dem Verein ehemaliger Wilhelmsgymnasiasten und Wilhelmschüler. Sie stifteten eine Gedenktafel für unsere Toten, die in der Vorhalle der Schule eingelassen werden soll. Ich sage den Eltern der Schule unser aller Dank. Sie machen im neuen Haus durch große kostbare Geschenke ein noch reicheres musikalisches Leben als bisher möglich.

 Mich bewegt auch der Dank an alle Lehrer unserer Schule, die in den drei Jahren getrennten Unterrichts in zwei Schulgebäuden alle Beschwernisse auf sich genommen haben, um ein geordnetes Schulleben aufrechtzuerhalten. Nicht ohne Sorge habe ich oft die Gefahr bedacht, die unserer Gemeinschaft durch die lange Zweiteilung der Schule drohte. Der Opfer- und Hilfsbereitschaft unserer Lehrer ist es zu verdanken, daß sich der äußere Zusammenschluß der Schule ohne Beeinträchtigung der inneren Harmonie und Festigkeit vollziehen kann.

 Die 75jährige Tradition der Schule, die nach der Abtrennung vom Friedrichsgymnasium am Fürstengarten begann, soll nun am Walter-Schücking-Platz fortgesetzt werden. Lehrer und Schüler werden aus Verpflichtung gegenüber der Tradition der Schule und aus Dank für den Neubau mit seiner Ausstattung ihr Bestes tun, um den wissenschaftlichen Ruf der Schule fleißig zu wahren, ihre musischen Bemühungen eifrig zu fördern und das Gemeinschaftsleben mehr und mehr zu entfalten. Mein Bemühen wird sein, Ordnung und Sitte, ohne die keine erfolgreiche wissenschaftliche und musische Arbeit und kein Gemeinschaftsleben möglich sind, zu erhalten. Ich werde immer bestrebt sein, die rühmenswerte Einigkeit des Lehrerkollegiums bei aller Freiheit in der Arbeit zu pflegen. Niemals möge an der Wilhelmschule die menschliche Achtung zwischen Lehrern und Schülern bedroht sein! Irnmer soll zwischen Eltern und Schule das Vertrauen bestehen, ohne das eine förderliche Schularbeit nicht möglich ist.

 Vor allem aber möge in unserer Schule der Geist christlicher Verantwortung erhalten bleiben, der auch in den bösen Zeiten der Vergangenheit die Schule in ihrer Haltung und in ihren Handlungen bestimmte. Wir wollen unsere Arbeit in der Verantwortung vor einer höheren Macht tun, die über aller menschlichen Gewalt und Zufälligkeit steht. An der Orgelseite der Aula in der Wilhelmschule am Fürstengarten standen die Worte aus dem »Messias« von Klopstock:

 Saat von Gott gesäet, am Tage der Garben zu reifen.

 Wir haben diese Worte an den Anfang unserer Festschrift gestellt. Sie sollen unsichtbar, aber deshalb nicht weniger verpflichtend über unserem neuen Hause stehen.

 

  

  

GRUSSWORT DES HERRN MINISTERPRÄSIDENTEN

 Das ehemalige Königliche Wilhelms-Gymnasium, das heute unter dem Namen »Wilhelmschule« weit über Kassel hinaus bekannte Gymnasium für Jungen, kann auf eine wechselvolle 75jährige Geschichte zurückblicken. Wechselvoll, weil sie als Folge von Schulreformen wiederholt ihren Bildungsinhalt und damit auch ihren Namen ändern mußte, wechselvoll aber vor allem, weil der schwere Bombenangriff auf Kassel ihr die Heimat nahm und die Wanderung von Ort zu Ort begann. Im Alter von 75 Jahren erhält sie nun am Walter-Schücking-Patz wieder ein endgültiges neues Heim.

  Bewahrt hat sich die Wilhelmschule über alle äußeren Schwierigkeiten hinweg ihren guten Geist. Sie hat stets Wert auf ein hohes wissenschaftliches Niveau gelegt und war immer eine Stätte echter Toleranz, in der sich die Schüler auch unter nationalsozialistischer Herrschaft bei ihren Lehrern geborgen fühlten. Selbst während des Krieges besuchten Schüler, die man damals halbjüdisch nannte und die in manchen Schulen nur ungern gesehen waren, die Wilhelmschule und legten mit Erfolg ihre Reifeprüfung ab. Eine besondere Aufgabe sah die Schule stets in der Pflege musischer Erziehung.

 Ich habe mich persönlich und durch meinen Sohn, der während seiner ersten Gymnasialjahre die Wilhelmschule besuchte, stets eng mit dieser Bildungsstätte verbunden gefühlt und beglückwünsche heute die Stadt Kassel, das Lehrerkollegium und die Schule recht herzlich zu dem neuen, schönen und zweckmäßig eingerichteten Bau. Hier soll ein Geist herrschen, der innerhalb der Gemeinschaft von Menschen gleicher Lebensziele jedem einzelnen die größtmögliche Entwicklungsfreiheit gewährleistet. Der Mensch soll nicht das Werkzeug eines anderen, nicht bloß Vollstrecker fremden Willens sein, sondern soll sein eigenes Leben führen, und die Erziehung soll ihm die Kraft und Möglichkeit schaffen, dieses Eigenleben seiner Natur gemäß zu entwickeln. Möge dieser Geist, der in der Schule immer gewaltet hat, ihr auch in Zukunft eigen sein.